Partizipative Führung
Partizipative Führung: Die Story dahinter
Neulich in einem Führungsmeeting: Einer der Teilnehmenden meinte zu einem bestimmten Thema: »Wir befragen einfach unsere Mitarbeiter, was sie von unseren Ideen halten.« Er erklärt weiter, dass diese Vorgehensweise »partizipative Führung« sei und ergänzt: »Wenn uns ihre Meinung passt, dann machen wir das so. Und, wenn nicht, machen wir das, was wir wollen.«
… Hm? Echt jetzt? Hier scheint eine interessante Interpretation von partizipativer Führung vorzuliegen. – Ein Grund mehr für mich, das Thema eingehender zu betrachten. Nicht zuletzt deshalb, da viele vom »Gleichen« sprechen, jedoch etwas »Anderes« meinen.
»Partizipation bedeutet, an Entscheidungen mitzuwirken und damit Einfluss auf das Ergebnis nehmen zu können. Sie basiert auf klaren Vereinbarungen, die regeln, wie eine Entscheidung gefällt wird und wie weit das Recht auf Mitbestimmung reicht.« 1)
Noch keine Partizipation bzw. Vorstufen zur Partizipation sind Formate, bei denen Mitarbeitende informiert werden bzw. man sie nach ihrer Meinung fragt. Oder auch, wenn man sich durch ihre Expertise beraten lässt.
Partizipation kann auf unterschiedlichen Levels stattfinden:
- Mitbestimmung zulassen
- Entscheidungskompetenzen teilweise übertragen
- Entscheidungsmacht übertragen
Partizipative Führung: Die Perspektive der Führung
Partizipation heißt also, Mitarbeitende aktiv in Entscheidungen einzubinden, womit die Meinungen der Mitarbeitenden zählen und sie mit ihren Ideen mitgestalten. Solch ein Führungsansatz stärkt sowohl das Vertrauen in die Führung als auch die Identifikation zum Unternehmen.
Aber Achtung! Partizipation ist weder ein Bonus für besondere Leistungen noch meint partizipative Führung, dass alle alles entscheiden. Es geht vielmehr um sinnvolle Mitbestimmung – mit klaren Strukturen und einer Führungskraft, die moderiert statt diktiert.
Bei echter Partizipation schafft Führung ein Umfeld, in dem sich Mitarbeitende wertgeschätzt fühlen, ihr Bestes geben und langfristig bleiben wollen. Der Vorteil für Unternehmen liegt auf der Hand: Sie profitieren von engagierten Teams, besseren Entscheidungen und einem stärkeren Zusammenhalt.
Wann fühlt sich partizipative Führung für Mitarbeitende unecht an?
Partizipative Führung ist keine Einbahnstraße und soll nicht nur dann »ausgerufen« werden, wenn es der Führungskraft ins Konzept passt. – Wer mitbestimmen soll, muss auch dann gehört werden, wenn die Beiträge unbequem sind. Andernfalls wird aus Partizipation eine Illusion, die langfristig eher schadet als nützt.
Unechte Partizipation zeigt sich …
- durch »Alibi-Beteiligung« bei Meetings,
- wenn Führungskräfte zuhören und letztlich ohne Ankündigung alleine entscheiden,
- wenn lediglich harmlose Themen zur Diskussion freigegeben werden,
- wenn Entscheidungen bereits getroffen wurden, bevor Mitarbeitende gefragt werden,
- wenn Ideen gesammelt aber nicht umgesetzt werden oder auch sonst keine Rückmeldung dazu erfolgt,
- …
Scheinpartizipation untergräbt neben dem Vertrauen und der Identifikation zum Unternehmen vor allem die Kollaboration, die Motivation und natürlich auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Enttäuschung und Frust könnte sich zeigen in Gedanken à la »Warum soll ich mich einbringen, wenn es am Ende sowieso ignoriert wird?« oder auch in Passivität und Rückzug, wie: »Dann sage ich halt gar nichts mehr – bringt ja eh nichts.«
Partizipative Führung: Die Perspektive der Mitarbeitenden
Partizipative Führung bedeutet andersrum für Mitarbeitende weit mehr als nur »mitreden dürfen«. Es geht um das Gefühl, gehört, ernst genommen und in Entscheidungen einbezogen zu werden. Partizipation ist auch aus dieser Perspektive keine Einbahnstraße. Bedeutet Partizipation doch auch, Verantwortung zu übernehmen.– Und zwar auch dann, wenn es unangenehm wird.
Mitunter beteiligen sich Mitarbeitende nur dann, wenn es ihnen passt. Selektive Partizipation zeigt sich beispielsweise, wenn …
- Interesse nur bei angenehmen Themen besteht, wie Benefits oder die Gestaltung von Homeoffice, nicht aber bei herausfordernden Themen.
- Mitarbeitende zwar mitentscheiden wollen, jedoch die damit verbundene Verantwortung ablehnen.
- Kritik ohne Lösungsideen geäußert wird bzw. Beschwerden über Entscheidungen, an denen man nicht beteiligt war, laut werden.
- sich Mitarbeitende bei unbequemen Themen, wie bei Veränderungen, eher passiv statt konstruktiv zeigen.
- …
Partizipative Führung ist kein Selbstläufer.
Wenn Sie mehr Partizipation in Ihr Führungshandeln etablieren wollen, sollten Sie sich auf einen Prozess einstellen. Um hierbei nicht rasch an die Grenzen zu stoßen, ist es weiters ratsam, sich zunächst über einige Punkte im Klaren zu sein: Welche Themen oder Projektvorhaben können tatsächlich partizipativ angegangen werden? In welchen Bereichen können eigenständige Entscheidungen getroffen werden, ohne das Team zu überfordern? In welchen Situationen greifen Sie als Führungskraft wie ein? Dass Sie in Führung zudem dafür sorgen müssen, dass Informationen transparent verfügbar und geteilt werden, ist ein wesentlicher Teil des Gestaltungsrahmens.
Partizipative Führung erfordert spezifische Führungskompetenzen
Dazu zählen insbesondere hohe Wertschätzung, Kommunikation auf Augenhöhe, Begeisterungsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Partizipative Führung ist zudem auch deshalb anspruchsvoll, weil es von Führungskräften verlangt, die Balance zu halten zwischen:
- sich selbst zurücknehmen vs. klare Entscheidungen treffen
- Personen zu fordern vs. Personen zu begleiten und unterstützen, um sie vor der Überforderung zu bewahren
- Ideen wertschätzen vs. Ideen kritisch hinterfragen
- Hierarchie (durch bspw. Treffen von Letztentscheidungen) wahren vs. Teilhabe der Mitarbeitenden zulassen
Rund um partizipative Führung lassen sich auch einige typische (wenngleich weitgehend unterschätzte) Stolpersteine festmachen: Hierzu zählt, dass sich manche Mitarbeitende mit dem hohen Maß an Verantwortung überfordert fühlen. Oder, wenn zu viel Zeit für partizipative Themen aufgewandt wird, sodass zu wenig Zeit für das Daily-Business der Beteiligten übrig bleibt. Weiters sei erwähnt, dass Partizipation ad-hoc-Entscheidungen aushebelt, womit Entscheidungsfindungen meist auch länger dauern.
Partizipative Führung: Ein Führungsstil mit Mehrwert
Wie man es auch dreht und wendet. Der Nutzen eines partizipativen Führungsstils liegt auf der Hand:
- Wer mitgestaltet, ist engagierter und motivierter.
- Viele Perspektiven und Ideen schaffen bessere (und breitere) Lösungen.
- Qualifizierter Input aus der Praxis durch direkt betroffene Mitarbeitende sorgt für fundiertere Entscheidungen und realitätsnähere Lösungen.
- Zufriedene Mitarbeitende bleiben dem Unternehmen treu, womit die Fluktuation geringer wird.
- Veränderungen, die selbst mitgestaltet werden, sind akzeptierter und rascher umsetzbar.
- Die Übernahme von Mitverantwortung stärkt das Selbstbewusstsein und fördert die persönliche Weiterentwicklung
Partizipative Führung: Worauf Sie achten sollten
Partizipative Führung ist kein »Nice to have«, sondern ein bewusstes Kommitment mit klaren und kommunizierten Regeln. Relevante Aspekte hierbei sind:
Sorgen Sie für Klarheit bei den Entscheidungsbereichen und für transparente Kommunikation: Nicht jede Entscheidung kann basisdemokratisch getroffen werden. Mitarbeitende müssen diese klare Abgrenzung kennen und wissen, wo bzw. wie sie mitbestimmen können.
Bewahren Sie die Balance zwischen Führung und Mitbestimmung. Ihre Rolle als Führungskraft bleibt weiterhin bestehen, selbst wenn Sie beim Treffen von Entscheidungen moderierend tätig sind und – nur wenn nötig (oder vereinbart) – finale Entscheidungen selbst treffen.
Fördern Sie echte Partizipation und vermeiden Sie Scheinpartizipation. Mitarbeitende merken schnell, wenn sie lediglich pro forma beteiligt werden.
Berücksichtigen Sie einen zu erwartenden Mehraufwand für Diskussionen und Abstimmungen. Beachten Sie insbesondere die Meeting-Disziplin, um zielführend zu bleiben statt sich in einer Endlos-Diskussions-Schleife zu bewegen.
Ermutigen Sie Mitarbeitende, Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu ergreifen. Manchmal dauert es, bis Mitarbeitende dazu bereit sind und manche wollen lieber klare Anweisungen statt Mitsprache. – Auch das ist Teil der Führungsrealität.